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"Bitte entnehmen Sie Ihr Geld"

Sprechender Geldausgabeautomat in Gelsenkirchen; DBSV wirkte an der Entwicklung maßgeblich mit.

Wie schwer es ist, an anderer Leute Geld zu kommen, weiß jeder. Aber noch schwieriger ist es, wenn ein Blinder oder Sehbehinderter sein eigenes Geld am Geldautomaten abheben will. Abhilfe könnte hier der neu entwickelte sprechende Geldautomat "PRO CASH 20 50" schaffen. Bei einer blindengerechten Führung durch die Computerfirma Wincor Nixdorf entdeckte ich diese sensationelle Neuheit, die der Produktmanager Andreas Pollglaesener vorstellt:

"Der Geldautomat ist gegenüber einem Standard-Geldautomaten nur durch eine Tastatur ergänzt worden, einen Mikrofonstecker, mit dem ich einen handelsüblichen Kopfhörer einstecken kann, und einen Außenlautsprecher. Durch Betätigung der PIN-Tastatur löse ich eine Spracherklärung aus, wo genau definiert wird, wo ich die Karten einführen kann. Die PIN selbst wird natürlich nicht wiederholt. Wenn ich meinen Kopfhörer in die Buchse einstecke, wird der Außenlautsprecher stumm geschaltet. Ansonsten werden die Anweisungen ausgehend von der PIN-Tastatur gemacht: Ich führe meine Karte ein. Über den Kopfhörer wird mir erklärt, welche Dienste angeboten werden. Durch die entsprechende Anwahl (Ziffer 1 für Geldausgabe) komme ich in ein weiteres Menü. Dann kann ich aus vorangebotenen Geldbeträgen wählen (50 Euro - 1, 100 Euro - 2 usw.).

Nach der Betragswahl gibt der Geldautomat oberhalb der Tastatur in Richtung 12 Uhr das Geld aus. In Betrieb sind zur Zeit zwei Geräte, in der Sparkasse Gütersloh und das erste offizielle Gerät in der Sparkasse in Gelsenkirchen (seit 15.10.2002). Wir hoffen, dass wir mit den geringen Änderungen die Behinderten in die Lage versetzen, dass sie auch im Selbstbedienungsbereich Geld entnehmen können."

Natürlich war die Begeisterung bei den Blinden und Sehbehinderten über den ersten sprechenden Geldautomat sehr groß, und auch die Berichterstattung in den Medien war außerordentlich positiv, so auch in folgendem Beitrag des Westdeutschen Rundfunks:

Moderatorin: Das ist eine ziemlich unangenehme Vorstellung, beim Geldabheben am Automaten immer auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Jeder dreht sich doch so, dass keiner sehen kann, wie er seine PIN eingibt, und den Kontostand posaunt man ja normalerweise nicht in die Weltgeschichte hinaus. Blinde aber brauchen Hilfe am Geldautomaten. Wie sollen sie denn sonst wissen, was der Automat gerade von ihnen will. Das geht auch anders. In Gelsenkirchen ist heute der NRW-weit erste Geldautomat für Sehbehinderte und Blinde in Betrieb genommen worden. Stimme vom Automaten: "Herzlich willkommen, bitte geben Sie Ihre Karte ein. Sie finden das Kartenlesegerät rechts vor Ihnen Richtung 2 Uhr. Ihre Eingabe wird bearbeitet, bitte warten. Drücken Sie bitte die zweite Taste von oben links neben dem Bildschirm!" Moderatorin: Margret Gajewski ist ein bisschen aufgeregt. Schließlich ist es das erste Mal, dass sie allein einen Geldautomaten bedient. Sie war bislang immer auf fremde Hilfe angewiesen, weil sie weder die Tasten bedienen konnte noch wusste wie herum die Karte eingeschoben werden muss.

"Ab heute kein Problem mehr", so Klaus Marziniak von der Sparkasse Gelsenkirchen: "Das Gerät funktioniert absolut behindertengerecht. Die Besonderheit ist, dass neben der Blindenschrift akustische Signale ausgegeben werden. Der Blinde hat ein Knöpfchen im Ohr". Moderatorin: Auch Günter Gajewski, Vorsitzender des BSV Gelsenkirchen, ist begeistert von dem Pilotgerät und hofft, dass auch andere Kreditinstitute künftig diesen Service leisten. Das würde mehr Selbstständigkeit bedeuten und mehr Bewegungsfreiheit, denn auch auf Reisen ist es schwierig für blinde Menschen, an Geld zu kommen:

"Es gibt keine Euroschecks. Wir kommen nicht an Geld ran, weil wir nicht mit diesen Apparaten umgehen können; die sind einfach nicht sehbehinderten- und blindengerecht. Ich würde sogar sagen, sie sind sehbehindertenfeindlich. Jetzt wollen wir kleine Kurse, jeweils für drei, vier Leute anbieten, denn für uns ist der Umgang mit Geldautomaten etwas ganz Neues."

Klaus Bierbaum

Aus: "Die Gegenwart", Zeitschrift des DBSV, Nr. 01, Jänner 2003.
Weitere ausgewählte Artikel aus der "Gegenwart" finden Sie auf der Homepage des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes.

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Erstellt am Mi, 12.03.03, 07:46:09 Uhr.
URL: http://www.anderssehen.at/alltag/berichte/geld2.shtml

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